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  3. Author: Regina Oschmann
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Stunde der Orgel am 6. April 2024

Martin Luthers Lied „Vater unser im Himmelreich“ von 1539 nimmt als eines seiner Katechismus-Lieder eine Sonderstellung in der lutherischen Kirchenmusikgeschichte ein. Es ist kaum zu vermuten, dass das Lied seit seiner Entstehungszeit häufig gesungen wurde, da der überkommene biblische Text bis heute meist im liturgischen Kontext gesprochen wurde, bzw. wird. Daher wurden die Katechismus-Choräle auch relativ selten als Choralvorspiele vertont.

Sweelinck, Buxtehude und Bach sind da als die bekanntesten Komponisten zu nennen.

Während Buxtehudes Vertonung ganz im Sinne der norddeutschen Barockkunst als figuriertes Choralvorspiel mit obligatem Cantus firmus komponiert wurde, setzt Mendelssohn es als Variationsreihe im ersten Satz seiner 6. Orgelsonate um. Die beiden Folgesätze nehmen die Melodie des Liedes nicht auf.

Mendelssohn verfährt hier genauso wie in seinen übrigen 5 Orgelsonaten, indem er meist schon vorher entstandene Einzelsätze zu Sonaten zusammenfügt. Dabei entsprechen seine Sonaten musikwissenschaftlich gesehen nicht der seit der Klassik bestehenden Sonatenformen.

Peter Cornelius geht mit seinem Liederzyklus einen ganz anderen Weg und entnimmt als Vorlagen jeweils Abschnitte aus der gregorianischen Melodie, welche er thematisch geschickt einbindet. Dabei übernimmt er keine liturgischen Texte, sondern interpretiert diese mit freier Prosa im romantisches Gestus. Anders als Luthers „Vater Unser“ Lied ist die gregorianische Form bis heute in der (Kath.) Kirche recht bekannt. Seit dem zweiten vatikanischen Konzil in den 1970er Jahren, in dessen Folge die jeweiligen Muttersprachen der Länder das Latein mehr und mehr verdrängten, findet sich die Gregorianik zumindest im deutschsprachigen Raum mehr in Klöstern und Kommunitäten, als in Gemeindegottesdiensten wieder.

Martin Forciniti, 10/2023

Siehe auch: „Texte

Stunde der Orgel am 6. April 2024

Text zu Peter Cornelius Neun geistliche Lieder op. 2

1. Pater noster qui es in coelisGerman (Deutsch) 
Des lauten Tages wirre Klänge schweigen,
Und all der Lärm und Drang verschallt, verhallt;
Nun will ich, Vater, Dir mich kindlich neigen,
Nun soll empor zu Dir mein Flehen steigen,
Verleih‘ den Tönen, die mein Mund dir lallt,     Gewalt.

Gleich dem verlornen Sohn mein Herze zaget,
Dem reines Glück sein Heimathparadies verhieß,
Und der nun in der Fremde irrt und klaget,
An keine Pforte mehr zu pochen waget,
Weil überall den Fremdling man verließ,     verstieß.

Nun öffne, Vater, wieder ihm die Arme,
Dass jeder Schmerz, der es durchbebt, entschwebt;
Dass es an Deinem Segenshauch erwarme,
Dass es genesend von der Irrfahrt Harme,
In Deiner Gnade Strahl sich neu belebt.

2. sanctificetur nomen tuum  (Deutsch) 
Die Sterne tönen ewig hohe Weisen im Wunderklang;
Und Wunderklang und hellen Psalmensang
Gabst du auch meiner Seele, dich zu preisen.
Wenn deinen Blumen gleich die Seele blühte nur einen Tag,
Den einen Tag mit lichtem Flügelschlag
Schwebte sie auf im Strahle deiner Güte.
Doch mag der Leib im Staube auch verwehen, die Seele lebt;
Die Seele lebt, weil sie dein Geist [umschwebt]1,
Weil sie dich ahnte, kann sie nie vergehen.
Sie wird von Stern zu Stern empor sich schwingen in Ewigkeit,
In Ewigkeit darf deiner Herrlichkeit,
Darf deiner Güte Preis und Lob sie singen.

3. adveniat regnum tuum
Das sind goldne Himmelspfade,
Die Du, Gott, herniedersteigst,
Wenn Du Dich im Mild‘ und Gnade
Einem reinen Herzen neigst,
Das Dir eine Krone weiht
Und ein Reich, darin Du wohnest,
Einen Thron, darauf Du thronest
Recht in Himmelsherrlichkeit.
Ach, mein Herz ist voller Fehle,
Findest keine Krone dort;
Doch gesund wird meine Seele,
Sprichst Du nur ein einzig Wort.
Gott der Milde, Gott der Gnade,
Schaff‘ in mir ein reines Herz,
Komm‘, ach, komme niederwärts,
Komm‘ auf goldnem Himmelspfade!

4. fiat voluntas tua
Segne, Herz, den Freudentag,
Den der Herr Dir spende,
Dass er’s fröhlich wende,
Dank‘ ohn‘ Ende
Jubelnd ihm Dein Schlag.

Aber Heil der Schmerzensnacht!
Traue Gottes Wegen,
Da Du wach gelegen,
Hat sein Segen
Treu mit Dir gewacht.

Folgt auch, wie die Nacht dem Tag,
Dir auf Wonne Leiden,
Der da schuf die beiden,
Wird entscheiden,

5. panem nostrum quotidianum da nobis hodie
Der Du im Feld die Vöglein nährst
Und Speise mir und Trank gewährst,
Dir dank‘ ich, dass Du mein gedenkst,
Mir Deines Segens Fülle schenkst.
Doch leb‘ ich nicht von Brot allein,
Drum mögst Du, Herr, stets mit mir sein,
Weil jedes Wort der Seele frommt,
Das aus dem Munde Gottes kommt.
Und Speise, die mein Geist begehrt,
Sei mir im Tode noch gewährt:
Dass Liebe einst ein Kreuz mir setzt,
Und es mit Herzenstränen netzt.

6. et dimitte nobis debita nostra
Nachts, wenn sich Sturmwind wild erhebt
Und Reue Dir im Innern wacht,
Dann bebt Dein Herz in dunkler Nacht
So schmerzlich wie’s noch nie gebebt,
Du ringst, in tiefster Brust verzagt
Umsonst nach Trost, umsonst nach Licht,
Weil durch den Sturm, noch lauter spricht
Dein eigen Herz, das dich verklagt;
Doch ob der Sturm auch schweigen mag
Und laue Luft Dich lind umspült,
Wenn tiefe Reu die Seele fühlt,
Bebt sie im Sturm [am ruh’gen]1 Tag.
Dann preisen Vöglein Gottes Huld
Und singen hell zu ihm empor,
Dir aber dröhnt ihr Sang in’s Ohr
Wie herbe Klag‘ um Deine Schuld.

7. sicut et nos dimittimus debitoribus nostris
Nun lasse ganz der Seele Flug
Zu dir, o Herr, mich heben,
[Lehr‘]1 mich Feindes Schuld und Trug vergeben,
Nicht soll des Hasses trüber Wahn
Mir [Geist und Sinn]2 umweben.
Ich will, o Herr, wie Du getan: Vergeben.
Tönt einst Dein Richterruf herab
Zu ew’gem Tod und Leben,

8. et ne nos inducas in tentationenem
Als Du auf Erden, Herr, geweilt,
Hast alle Kranken du geheilt;
Von jedem Weh Erlösung fand,
Wen Du berührt mit deiner Hand,
Gestreift mit deines Kleides Rand.
Der Blinde sehend vor Dir stund,
Der Stumme tat’s dem Tauben kund.
Du heiltest Alles, was da wund;
Und zu dem Toten sprach dein Mund:
„Steh‘ auf und wandle!”
Herr! Meine Seele liegt im Staub,
Ist krank und blind und stumm und taub;
Sprießt auch ein Quell, der Heilung schafft,
Ihn zu erreichen fehlt’s an Kraft:
O wär‘ ich frei aus Sündenhaft,
O dürft‘ ich schaun Dein Angesicht,
Darum das goldne Himmelslicht
Viel strahlenhelle Glorien flicht,
Und hören, wie Dein Mund mir spricht:
„Steh‘ auf und wandle!”

9. sed libera nos a malo
Heil’ge Liebe, flammend Herz,
Wolle ganz die Welt durchdringen,
Daß die Seelen allerwärts
Liebeglühend sich umschlingen,
Vater, der den Sohn gesandt,
Daß ein Weg zum Heil uns bliebe,
Rett‘ uns aus des Bösen Hand     durch die Liebe.

Heil’ger Glauben, Kreuzesbild,
Leit‘ uns fest durch Lebensstürme,
Ob auch drohend sich und wild,
Woge rings auf Woge thürme.
Sohn, durch den wir Gott erkannt,
Laß uns diesen Hort nicht rauben,
Rett‘ uns aus des Bösen Hand     durch den Glauben.

Heil’ge Hoffnung, Anker du,
Senke tief dich in die Herzen,
Gieb im Kampf uns süße Ruh‘,
Und in Wonnen wandle Schmerzen.
Geist des Trostes, unverwandt,
Zeige uns den Himmel offen,
Rett‘ uns aus des Bösen Hand durch das Hoffen!