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Konzert am 13. März 2023

Klaviermusik von Komponistinnen

Die Pianistin Claudia Meinardus beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Kompositionen aus weiblicher Hand. Sie wird Werke von drei bedeutenden Komponistinnen der Romantik spielen: Variationen op. 17 von Luise Farrenc, die Sonate brillante c-moll von Delphine von Schauroth sowie einige Präludien von Louise Adolpha Le Beau. Alle drei Frauen waren sehr gut ausgebildet als Komponistinnen, in ihrer Zeit bekannt und anerkannt, und wagten sich auch an große Formen wie Sonaten, Trios, Quartette, Quintette , Sinfonien und Oratorien, welche zu ihren Lebzeiten, teilweise mit sehr großem Erfolg, aufgeführt wurden. Die hier vorgestellten Kompositionen zeugen von hohem kompositorischen Können, Einfallsreichtum und einer ganz individuellen Tonsprache.

Louise Farrenc (1804 – 1875), geborene Dumont, wuchs in einem künstlerischen Umfeld in Paris auf. Prägende Lehrer waren u.a. Antonin Reicha, Professor für Fuge und Kontrapunkt am Pariser Conservatoire, sowie der berühmte Klaviervirtuose Johann Nepomuk Hummel. Gemeinsam mit ihrem Mann Aristide Farrenc, Flötist, Musikverleger und Musikschriftsteller, gibt sie das 20-bändige Sammelwerk alter und neuer Klaviermusik, den „Trésor des pianistes“, heraus. Sie wagt sich als eine der ersten Frauen auch an große Formen, schreibt Ochesterouvertüren sowie drei Sinfonien, die sehr gut rezensiert werden. Über die 1835 komponierte Air russe varié schreibt Robert Schumann 1936 in seiner „Neuen Zeitschrift für Musik“: „Legte mir ein junger Komponist Variationen wie die von Louise Farrenc vor, so würde ich ihn darum sehr loben, der günstigen Anlagen, der schönen Ausbildung halber, woran sie überall Zeugnis geben….Kleine, saubere, scharfe Studien sind es…, so sicher im Umriss, so verständig in der Ausführung, so fertig mit einem Worte, dass man sie lieb gewinnen muss, um so mehr, als über ihnen ein ganz leiser romantischer Duft fortschwebt….“.

Delphine von Schauroth (1813 – 1887) erhält schon im Kindesalter Klavierunterricht bei dem berühmten Pianisten und Lehrer Friedrich Kalkbrenner. Sie konzertiert in ganz Europa. 1830 trifft sie Felix Mendelssohn in München, der von ihrer pianistischen Begabung und ihrer künstlerischen Ausstrahlung sehr angetan ist. Er widmet ihr – was sehr selten vorkommt – sein brillantes Klavierkonzert op. 25 sowie das venezianische Gondellied op. 19/2.  Bis ins hohe Alter konzertiert sie, wobei neben Bach, Mozart, Beethoven, Weber und Hummel vor allem zeitgenössische Komponisten wie Kalkbrenner, Moscheles, Hertz, Mendelssohn und Chopin auf ihrem Programm stehen. Leider gelten viele ihrer Kompositionen als verschollen. Die Sonate brillante in c-moll wurde 1834 in Wien beim Verlag Anton Diabelli herausgegeben, da war die Komponistin gerade einmal 21 Jahre alt! Sie ist ein groß angelegtes, hoch virtuoses und kühnes Werk, das in seiner formalen und harmonischen Anlage von ihrer guten Ausbildung zeugt und erahnen lässt, welche Brillanz ihr Klavierspiel gehabt haben muss.

Louise Adolpha Le Beau (1850 – 1927) wird gezielt auf eine Laufbahn als Musikerin vorbereitet. Die Eltern reisen mit ihr nach Wien, Augsburg, Basel und Heidelberg, wo sie erfolgreich als Pianistin auftritt. Auf Empfehlung von Hans von Bülow geht sie nach München zu Joseph Rheinberger, dem anerkannten Lehrmeister für Formen, Kontrapunkt und Harmonielehre. Er lobt ihre Kompositionen als „männlich, nicht wie von einer Dame komponiert“. Mit ihren Violoncellostücken erhält sie bei einem internationalen Kompositionswettberwerb, als einzige weibliche Teilnehmerin, den ersten Preis.  Sie komponiert auch große Formen, ihr Oratorium Ruth op. 25 wird mehre Jahrzehnte lang auf zahlreichen europäischen Bühnen gespielt. Um mehr Frauen eine gute Ausbildung zu ermöglichen, gründet sie eine Ausbildungsstätte in München für junge Musikerinnen, in der sie auch selbst engagiert unterrichtet.

Gedanken zum Programm am 28. Mai 2022

Das heutige, schalenförmig aufgebaute Programm wird von Johann Sebastian Bachs Praeludium und Fuge C-Dur  umrahmt wie in einer Messe. Das Praeludium ist nur aus wenigen Motiven gefertigt und besticht durch Einheit in der Vielfalt. Das tänzerische, aufsteigende Tonleitermotiv im 9/8-Takt gab dem Praeludium auch den Vulgonamen „Himmelfahrtspräludium“. In der Fuge erklingt das eintaktige Thema 46 Mal und besticht durch die Vielfalt in der Einheit. Praeludium und Fuge bilden hier ein Werkpaar, das durch die ähnliche formale Dramatik einen groß angelegten Spannungsbogen bildet.

Im Zentrum erklingt Bachs „Pièce d’Orgue“, ein gleichsam kühnes wie einzigartig in seiner Form dastehendes Werk, das Bach als profunden Kenner der französischen Orgelmusik seiner Zeit ausweist. Die virtuosen Girlanden des ersten und die harmonische Kühnheit des letzten Teils scheinen durch den stylus phantasticus geprägt zu sein. Der 5-stimmige, recht ausgedehnte Mittelteil scheint sich an dem französischen Vorbild des homophonen Grand plein jeu (Großes Mixturenplenum) zu orientieren.

Dass Bach Kompositionen von Couperin und besonders dessen Verzierungstabellen schätzte, ist in den Französischen Suiten aus den 1720er Jahren erkennbar. Zelter und Goethe schrieben in ihrem Briefwechsel von „französischem Schaum“ und „deutschem Grundelement“. Von de Grigny, der oft auch der französische Bach genannt wird, hat Bach eine Abschrift von dessen Komposition „Veni creator“ gefertigt.

Von Messiaen erklingen zwei monumentale Orgelwerke, jeweils vom Beginn und Ende seines kompositorischen Schaffens. Die „Apparition“ schildert die Erscheinung der ewigen Kirche. Seinem Orgelwerk fügte Messiaen ein eigenes Gedicht hinzu: „Gebaut aus lebendigen Steinen, gebaut aus den Steinen des Himmels, erscheint sie am Firmament: Es ist die Braut des Lammes! Es ist die himmlische Kirche, gebaut aus den Steinen des Himmels, den Seelen der Auserwählten. Sie sind in Gott und Gott ist in ihnen für alle Ewigkeit des Himmels!“

Zu seinem Werk „Resurrection“ schreibt Messiaen: „Christus erhebt sich plötzlich, in der ganzen Kraft seiner Herrlichkeit, mit dem Fortissimo der Orgel und leuchtenden Akkorden, in denen alle Regenbogenfarben strahlen.“

Meine persönliche Affinität zur französischen Orgelmusik liegt auch darin begründet, dass ich Jean Langlais in Paris in der Schola Cantorum live hören und später auch kurz sprechen durfte. Sein „Gesang des Friedens“ aus dem Jahr 1942 ist einer Schülerin gewidmet, deren Charaktergleichmaß Langlais sehr bewunderte.

Zudem hatte ich die Gelegenheit während einer Samstagsmesse in Sacré-Coeur neben Naji Hakim auf der Orgelbank sitzen zu dürfen. 2016 durfte ich sein Werk „Adoration“ für Sopran, Flöte und Orgel uraufführen, das hier in der Lutherkirche seine zweite Aufführung erfuhr. „Aalaiki’ssalaam“ wurde durch die tragischen Ereignisse im Mittleren Osten und vor allem im Libanon im Sommer 2006 inspiriert. Es möchte ein Zeugnis von Frieden und Freude sein. Alaiki’ssalaam (Friede sei mit dir) ist eine maronitische marianische Melodie.

Boëly hat sich erkennbar mit den Bachschen Orgelwerken auseinandergesetzt. Der Inhalt des Chorals „Werde munter, mein Gemüte“ benutzt ebenso die Metapher des Abends wie das Erlebnis der Emmausjünger.

Als Meisterwerk der Choralbearbeitungen aus der Feder von Johann Sebastian Bachgelten die sog. Schübler-Choräle aus dem Jahre 1749. Der Choral „Ach bleib bei uns“ stammt aus der Kantate Nr. 6 „Bleib bei uns, denn es will Abend werden“ für den 2. Osterfesttag. Bach führte sie in Leipzig am 2. April 1725 zum ersten Mal auf. Die textliche Grundlage (vgl. EG 246) lieferte u.a. auch Philipp Melanchthon, der 1529 am Marburger Religionsgespräch teilnahm.

„Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ, weil es nun Abend worden ist,
dein göttlich Wort, das helle Licht, lass ja bei uns auslöschen nicht.

In dieser letzt’n betrübten Zeit verleih uns, Herr, Beständigkeit,
dass wir dein Wort und Sakrament rein b’halten bis an unser End.“

Jürgen Poggel, im Mai 2022